Sie sind hier: Kunst Aber die Kunst bleibt  
 KUNST
Zustand der Ruhe
Die große Wand
Unter Grund
Eine Bronzebüste entsteht
Metamorphosen
Aber die Kunst bleibt
Die Forderung des Raumes
Uelzener Fensterstreit

ABER DIE KUST BLEIBT
 

…aber die Kunst bleibt. Landschaftsimpressionen von Jeanette Clasen

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 8. September 2006
im Gartencafé des Arboretums Melzingen



Da wächst jemand im landschaftlich so schönen Bayern auf, beginnt sein Kunststudium in Nürnberg, setzt es erfolgreich in München fort. Die Alpen locken von ferne. Und trotzdem kommt die Landschaft als Motiv in den Bildern nicht vor. Themen und Motive ergeben sich aus der Großstadt. Ein Studienaufenthalt in New York schließt sich an und bestimmt das künstlerische Schaffen.

Dann erfordert der Beruf des Ehemanns die Umsiedlung in das norddeutsche Flachland, in die niedersächsische Provinz nach Rotenburg an der Wümme. Versiegt die Inspiration? Im Gegenteil. Die Künstlerin Jeanette Clasen ist überwältigt von der norddeutschen Landschaft, vom weiten Himmel, der klaren Luft und dem flirrenden Licht. Die leuchtenden Rapsfelder nehmen sie gefangen. „Als wäre ich in einen Farbtopf gefallen“, sagt sie und beginnt zu malen, Landschaften. Zum ersten Mal wird die Landschaft zu ihrem Thema. Das Gelb der Rapsfelder lässt sie nicht mehr los. Dabei ist eigentlich das Blau ihre Lieblingsfarbe, das in keinem der Bilder fehlt. Und Gelb gilt bei den Malern als schwierige, ja gefährliche Farbe. Es entstehen Bilder voller Schönheit, aber eine Idylle stellt sich – und das ist gut so – nicht ein. Spannung schwingt mit im Ton der gelben Farbe.

Der Mensch scheint in den Bildern nicht vorzukommen. Doch schemenhaft tauchen vereinzelt menschliche Figuren auf in den Bildern, in den gelben Rapsfeldern. Eines der ersten Landschaftsbilder entstand als Übermalung einer figürlichen Darstellung aus der Münchner Zeit. Immer wieder, so erzählt Jeanette Clasen, kamen die Gestalten schemenhaft durch und mussten mehrfach übermalt werden. Als bedrohlicher Kampf erschien ihr dieser Prozess. Aus ihrer New Yorker Zeit tauchten die immer wieder auf Wände gesprühten Worte „No rape“ in der Erinnerung auf. Und im Nachhinein wurde ihr der Doppelsinn des englischen Wortes rape bewusst als Raps und als Vergewaltigung. Vor diesem Hintergrund bekam die Ambivalenz der Farbe Gelb, die nicht nur strahlend, freundlich, warm sein kann, sondern ebenso grell, aggressiv, schweflig und giftig, ein ganz anderes Gewicht. Beide Komponenten des Gelb schwingen in den Bildern mit.

Der Mensch taucht nicht nur schemenhaft in den Bildern auf, sondern vor allem indirekt in seinem Einfluss auf die Landschaft, in den strengen Linien, die er in die Landschaft gebracht hat. Die Strukturen geben den Bildern Klarheit und Halt. Aber auch sie sind von ambivalentem Charakter. Sie wurden der Landschaft aufgezwungen. Das Schattenspiel der Windräder im Raps, es kann auf den Betrachter spielerisch wirken, aber auch als Zeichen einer schädlichen Intervention in die Landschaft. Selbst ein bedrohliches Element schwingt mit, wenn auf einem der Bilder ein kleines Flugzeug Giftwolken über die Felder sprüht.

Eines der frühen Landschaftsbilder von Jeanette Clasen ist weder gelb, noch zeigt es die geradlinigen Strukturen. Blau und Grün herrschen vor. Statt klarer Linien wuseln vegetabile Formen. Die Fülle üppiger Vegetation spiegelt es. Es könnte gut das Arboretum Melzingen, den Garten Christa von Winning darstellen. In der Tat ist es ein Gartenbild, das einzige Gartenbild von Jeanette Clasen, entstanden in ihrem eigenen Garten in Rotenburg. Nicht nur dieses Gartenbild, sondern ebenso die norddeutschen Landschaften sind gut aufgehoben in der kleinen Galerie des Gartencafés im Arboretum. Gepflanzte Landschaft und gemalte Landschaft begegnen sich.
Landschaft ist ständigem Wandel unterworfen. Das hat sie mit den Gärten und der Natur insgesamt gemeinsam. Die Kunst, wenn sie sich ihnen zuwendet, produziert Momentaufnahmen, nicht fotografisch, sondern auf ihre Weise. Sie hält den Augenblick fest. So ist der Titel der Ausstellung gemeint: „…aber die Kunst bleibt. Landschaftsimpressionen“ von Jeanette Clasen.