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ARCHÄOLOGISCHE AUSSTELLUNGEN
 

Die Archäologie in den Ausstellungen niedersächsischer Museen

Vortrag auf dem Symposion zu Ehren von Mamoun Fansa
„Museen in Nordwest Niedersachsen – Archäologie: Entwicklungen, Perspektiven“ am 11.09.2006 in Oldenburg

Wie es begann

Archäologische Ausstellungen weisen den großen Vorteil auf, dass sie es mit handfesten Gegenständen zu tun haben. Die können gelegentlich spektakulär sein, in der Regel sind sie unscheinbar. Die ersten Sammlungen gehen auf Raritätenkabinette und fürstliche Wunderkammern zurück, haben aber auch schon früh in den Sammlungen bürgerlicher Vereine ihren Ursprung. Eine Unterscheidung von Ausstellung und Fundmagazin gab es anfangs noch nicht. Die ersten Präsentationen selber sind nicht erhalten geblieben. Wie sie ausgesehen haben und welchen Reiz sie noch heute ausüben, zeigt eindrucksvoll das rekonstruierte und in die neue Ausstellung integrierte Naturalienkabinett im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg.

Wissenschaftlich befragt wurden die Fundgegenstände wohl schon immer, systematisch als historische Quellen ausgestellt und erläutert aber erst später. Eine beachtliche, für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr fortschrittliche Präsentation dieser Art war die Ausstellung der Urgeschichte von Karl-Hermann Jacob-Friesen im damaligen Provinzialmuseum, dem heutigen Niedersächsischen Landesmuseum Hannover. Wie aus Fotografien und Publikationen des Museums zu ersehen ist, wurden die Exponate schriftlich und grafisch erläutert. Der Anschauung dienten darüber hinaus Modelle und Rekonstruktionen. Was man viel später modisch als „hands on“ propagierte, Bohrmaschine und Mahlstein mit der Aufforderung zur Benutzung, das enthielt diese Ausstellung auch schon. Die Texte waren nicht zu knapp, und Jacob-Friesen scheute sich nicht, seine Ausstellung als ein Lehrbuch mit anderen Mitteln zu bezeichnen. Das heißt, aus heutiger Sicht war der belehrende, pädagogische Zeigefinger etwas zu dick geraten zulasten der originalen Funde.

Die Gegenbewegung folgte seit den fünfziger Jahren in den Ausstellungen von Jacob-Friesen Nachfolger Wolf-Dietrich Asmus. Die Funde rückten als Einzelstücke in den Mittelpunkt der Betrachtung in einer zurückhaltenden, von Weiß und Grau dominierten Ausstellung. Deren Vorzüge lagen in einer feinen Ästhetik, die den ausgestellten Originalen zu ihrem Recht verhalf, der Kontemplation förderlich war, der Anschaulichkeit und der Wissensvermittlung aber nicht unbedingt diente. Das war auch der gängige Ansatz zur Kritik vieler Fachkollegen. Die Stärken der Ausstellung vermochten sie, und ich schließe mich da ein, nicht voll zu würdigen. Die Ausstellung verriet den Einfluss von jemandem, der selber gar nicht aktiv mitgewirkt hatte und den die meisten nicht kannten, von Dieter Asmus, einem entfernt lebenden Familienmitglied und zeitgenössischen Künstler.

In der Folge ab Ende der siebziger Jahre, als ich die große Ehre hatte, für Sammlung und Ausstellung verantwortlich zu sein, wurde die Ästhetik der Ausstellungen von Asmus etwas zurückgenommen und der pädagogische Ansatz von Jacob-Friesen wieder stärker zur Geltung gebracht. Der Ausstellung kamen die Fortschritte der Museumskunde zugute: Die langen und teilweise trockenen Texte erstanden nicht wieder. Wohl aber wurden grafische Darstellungen, Modelle und Rekonstruktionen wieder vermehrt aufgenommen. Statt Grau und Weiß zog ein breiteres, wenn auch mit Bedacht und Zurückhaltung gewähltes Farbspektrum ein, das Funktionen der Gliederung zugewiesen bekam. Den Originalen, das war auch unser Bestreben, sollte der ihnen gebührende Rang bleiben. Günter Wegener setzte Ende der achtziger Jahre diese Linie fort. Er tat den verdienstvollen Schritt, die seit Jahrzehnten durch viele Einbauten unkenntlich gewordene großzügige Architektur von Conrad Wilhelm Hase aus der Jahrhundertwende freizulegen und damit den Ausstellungen wieder Luft zum Atmen zu geben.

Archäologie in regionalen und kommunalen Museen

Die skizzenhaft nachgezeichnete Entwicklung am früheren Provinzialmuseum und heutigen Niedersächsischen Landesmuseum kann nicht für die archäologischen Präsentationen im großen Flächenland Niedersachsen stehen. Neben die archäologische Sammlung des Braunschweigischen Landesmuseums in Wolfenbüttel und die Sammlung des Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch treten zahlreiche kommunale und regionale Museen mit beachtlichen archäologischen Beständen und Ausstellungen.

Funde von großer Bedeutung befinden sich außerhalb der drei niedersächsischen Landesmuseen. Die altsteinzeitliche Lanze von Lehringen ist das wichtigste Exponat in Verden, der Fundkomplex aus der Oldendorfer Totenstatt liegt ebenso wie das Inventar des Marwedeler Fürstengrabes in Lüneburg und die bronzenen Wagenräder sind ein Schwerpunkt der Ausstellung in Stade. Die Ergebnisse der vom Institut für Historische Küstenforschung jahrzehntelang zielstrebig und erfolgreich betriebenen Forschungen machen die Ausstellung in Bad Bederkesa aus und die Früchte der regionalen Forschungen des Göttinger Seminars für Ur- und Frühgeschichte, als es denn noch Landesforschung betrieb, ruhen still in Göttingen. Die Funde zur Varusschlacht aus Kalkriese fanden in einem Museumsneubau ihren Platz. Dagegen schlummern die Inventare des Gräberfeldes der jüngeren Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit aus dem Veerßer Stadtwald wie viele andere Schätze im Magazin des Heimatmuseums Uelzen, das seine archäologische Ausstellung aufgegeben hat. Genügend Beispiele also eines reichen Potentials für regionale Ausstellungen mit eigenen Schwerpunkten und Stärken.

Dieses Potential ist in der Vergangenheit nicht immer genutzt worden. Manchmal erlag man der Versuchung, losgelöst vom eigenen Sammlungsbestand dem damals üblichen Ausstellungskanon eines Landesmuseums im Kleinen zu folgen mit einer chronologischen Abfolge von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter. Fundlücken, die besser auch Lücken in den Ausstellungen geblieben wären, wurden mit Repliken geschlossen. Die Sonnenscheibe von Aurich war zeitweilig in einem Dutzend niedersächsischer Museen zu sehen. Das trug nicht gerade dazu bei, die Museumslandschaft zu differenzieren und anziehend zu gestalten.

Das lobenswerte Angebot Karl-Hermanns Jacob-Friesens, die fachliche Kompetenz des Niedersächsischen Landesmuseum Hannover den kleineren Museen zur Verfügung zu stellen, führte zur Steigerung der Qualität der Häuser, welche die Zusammenarbeit eingingen. Es trug aber auch dazu bei, dass Jacob-Friesens Handschrift sichtbar wurde und sich die Ausstellungen anglichen. Eine dieser kleinen Ausstellungen ist noch heute im Heidemuseum Dat ole Hus in Wilsede erhalten. Sie ist nicht nur schön anzusehen, sondern ein anschauliches Stück Museumsgeschichte. Ähnliches lässt sich auch später beobachten. Die Fachkompetenz des Museumsverbandes und regionaler Museumsverbünde wirkte sich sehr positiv auf die Qualität der Museumsarbeit aus. Nur in einer Ausnahme ging die regionale Zusammenarbeit zeitweise so weit, dass sich die Ausstellungen in Gestaltung Farbgebung bis hin zu denselben (langweiligen) Vitrinentypen anglichen.

Einer Professionalisierung in den regionalen Museen, aber ebenso der fachlichen Beratung des Museumsverbandes für Niedersachsen und Bremen, der Entwicklungsplanung für die kommunalen Museen des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, an der unser Kollege Hans Günter Peters nicht unbeteiligt war, wie auch der Förderkonzeptionen der großen Stiftungen im Lande, der Stiftung Niedersachsen und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, ist es zu verdanken, dass sich in den letzten Jahrzehnten die niedersächsische Museumslandschaft und mit ihr auch das Mosaik der archäologischen Ausstellungen
differenziert hat. Die einzelnen Häuser sind ermuntert worden, ihre Sammlungs- und Ausstellungskonzeptionen nach ihren eigenen Stärken auszurichten, die Sammlungen zu bearbeiten und aus deren Schwerpunkten die Ausstellungsthemen zu entwickeln. Das ist mehr und mehr geschehen, nicht zuletzt deswegen, weil dafür gezielt Fördermittel bereitgestellt wurden. Zum Teil genügten dazu die eigenen personellen Ressourcen. Oft wurden die Teams auf Zeit mit solchen Kräften verstärkt, die im Hause nicht zur Genüge vorhanden waren. Das konnte die wissenschaftliche Bearbeitung betreffen, oft waren es gestalterische Aufgaben.

So wurde die altsteinzeitliche Lanze aus Lehringen, die in Verden über Jahrzehnte mehr abgestellt als ausgestellt worden war, in das Zentrum der neu gestalteten Ausstellung des Historischen Museums Verden – Domherrenhaus gerückt. In der schmalen Flucht der Ausstellungsräume, die keinen Rundgang gestatteten, entstand die ideenreiche Ausstellung „Einmal Steinzeit und zurück“.

Im kleinen Museum Soltau, in dem vor allem steinzeitliche Fundkomplex lagern, entstand mit externer Hilfe eine neue Ausstellung zur Ur- und Frühgeschichte, die auch die Landschaftsentwicklung behandelt und auf die Entstehung der Lüneburger Heide eingeht.

Als weiteres Beispiel eines kleinen Heimatmuseums, das mit seiner neuen Ausstellung an Bedeutung und Anziehungskraft gewonnen hat, ist das Dümmer-Museum Lembruch zu nennen, das den Besuchern die Naturkunde und die Ergebnisse der Ausgrabungen zur steinzeitlichen Siedlungsgeschichte anschaulich vorstellt.

Das Museum Burg Bederkesa zeigt seit jahrzehnten in vorbildlicher Weise die Forschungsergebnisse im Elbe-Weser-Winkel des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung, mit der Feddersen Wierde als vollständig untersuchter Wurt, mit der Besiedlung der Geest in der Siedlungskammer Flögeln und mit dem spektakulär ausgestatteten Bootsgrab aus dem Gräberfeld Wremen. Aus der engen Zusammenarbeit von Forschungsinstitut und Museum konnten wie an kaum einem anderen Ort neuere Forschungsergebnisse zur Sielungs- Wirtschafts- und Sozialgeschichte bekannt gemacht werden. Die Ausstellungsart kann man als im besten Sinne konservativ bezeichnen. Funde und Befunde stehen absolut im Mittelpunkt. Grafische Darstellungen und Modelle sorgen für die nötige Anschauung. Inszenierungen und moderne Medien spielen kaum eine Rolle. Es ist eine Art der Ausstellung, die sich wohltuend von modischen Trends absetzt und daraus ihre Stärke bezieht.

Auch im Ausstellungszentrum für die Archäologie des Emslandes, einem Neubau an der Koppelschleuse, werden neuere Ausgrabungsergebnisse dargestellt. Der Überblick zur Kulturgeschichte des Emslandes reicht von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter. Ein ähnliches Ziel verfolgt die archäologische Ausstellung im Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück. Hier liegen die Resultate der verdienstvollen langjährigen Arbeit des Kreisarchäologen Wolfgang Schlüter zugrunde.

Das Schwedenspeicher-Museum in Stade verfügt seit langem eine bedeutende Sammlung der Ur- und Frühgeschichte mit dem Goldring aus Himmelpforten und den Bronzerädern eines Kultwagens. Die Neugestaltung der Ausstellung rückt mit Einbaum, Wagen und Bohlenweg die Verkehrswege über Wasser und auf dem Land, die regionalen Kontakte und den Fernhandel in den Mittelpunkt. Die Neuinszenierung schließt moderne Medien ein und wird von einer intensiven Museumspädagogik begleitet.

Die überarbeitete Konzeption der ur- und frühgeschichtlichen Abteilung des Museums Nienburg nahm ebenfalls Abschied vom chronologischen Ablauf durch alle Perioden und setzte mit den neueren Funden des altsächsischen Gräberfeldes Liebenau einen sinnvollen Schwerpunkt. Dabei unterstützte das Niedersächsische Landesmuseum Hannover die Ausstellung nicht nur mit Leihgaben. Der Spezialist für die Sachsenforschung Hans-Jürgen Häßler stellte seine Ergebnisse bereit und war an der Erarbeitung der Ausstellung beteiligt. Die Gestaltung war einer kleinen Agentur übertragen worden.

Ein Museumsneubau

Wenn bedeutende Ausgrabungsergebnisse den Neubau eines Museums nach sich ziehen, ist das die Ausnahme und ein seltener Glücksfall. Dieses Glück wurde den Ausgräbern von Kalkriese zuteil. Der Landkreis Osnabrück und die Sparkassen ergriffen mutig die Initiative, brachten beachtliche finanzielle Mittel auf und errichteten Museum und Park Kalkriese. Die Trägergesellschaft, eine gemeinnützige GmbH, nahm auch Ausgrabungen und Forschungen in ihre Obhut, so dass ein voll funktionsfähiges Museum entstehen konnte. Die tüchtigen Schweizer Architekten Mike Guyer und Annette Gigon, das Gestaltungsbüro Integral, komplettiert von den Gartenarchitekten Schweingruber und Zulauf, wurden als Partner gewonnen. Es entstand ein ungewöhnliches Museum, das im näheren Umfeld für hitzige Diskussionen sorgte. Die Architektur war für viele gewöhnungsbedürftig, nahm sie doch von jeder ländlichen Idylle Abschied und verwies mit dem Stahl als vorherrschendem Baumaterial konsequent auf den Charakter des Platzes als Schlachtfeld mit vielen tausend Toten. Die ideenreiche Präsentation der archäologischen Erkenntnisse und der oft sehr unscheinbaren Funde folgt einer feinen Ästhetik. Park, Architektur, Ausstellung und Publikationen sind Ausdruck eines einheitlichen Konzeptes der Visualisierung. Das Projekt fand überregional viel Anerkennung, wurde mit mehreren Architekturpreisen und einem Museumspreis bedacht. Wäre es auch noch gelungen, einige Fehlsteuerungen zu vermeiden, hätte es ohne Vorbehalte als modellhaft gelten können. Das ansehnliche Beispiel einer modernen Museumsgründung ist es allemal.

Ein archäologisches Freilichtmuseum

Ein ganz anderer Museumstyp ist in Niedersachsen ebenfalls vertreten, ein archäologisches Freilichtmuseum. Im Elbtal, am Ufer des heutigen Hitzackersees, wurden direkt auf dem archäologischen Fundplatz drei bronzezeitliche Langhäuser rekonstruiert. Das Museumskonzept beschränkt sich auf eine Zeitperiode und bezieht dafür die damalige Umwelt mit ein. Damit überzeugt es mehr als manches Freilichtmuseum, in dem das Steinzeithaus neben dem germanischen Gehöft in völlig unpassender Umgebung steht. In umfangreichen und für Kinder sehr attraktiven Aktionsprogrammen werden alte Techniken vermittelt. Auch hier schlägt die Beschränkung positiv zu Buche, die lebendige Archäologie zum Mitmachen gibt nicht vor, experimentelle Archäologie zu sein.

Die Landesmuseen in Wolfenbüttel und Oldenburg

Zwei wichtige Ausstellungshäuser fehlen noch, die Landesmuseen Braunschweig und Oldenburg. Die Abteilung Ur- und Frühgeschichte des Braunschweigischen Landesmuseums ist seit 1959 in der Alten Kanzlei in Wolfenbüttel untergebracht. Der Ausstellung ging die vorbildliche Erforschung des Braunschweiger Landes voraus. In kaum einem anderen Teil des Landes Niedersachsen wurde die Ur- und Frühgeschichte so intensiv und systematisch aufgearbeitet. Das konnte dank der exzellenten wissenschaftlichen Besetzung im Hause weitgehend ohne externe Hilfe geleistet werden. Die gründliche Vorbereitung kommt der Ausstellung zugute. Sie bietet einen umfassenden Überblick zur Ur- und Frühgeschichte des Braunschweiger Landes, der durch grafische Darstellungen, Modelle und Rekonstruktionen veranschaulicht wird. Für keinen anderen Landesteil Niedersachsens wird diese Aufgabe zur Zeit so wahrgenommen. Gerade deshalb wäre der Ausstellung zu wünschen gewesen, dass zusätzliche Mittel bereit gestanden hätten, um externe künstlerische Gestalter zu beteiligen. Dieser wohlgemeinte Wunsch wird im Vergleich zur neuen Ausstellungen des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg verständlich.

Die gründliche wissenschaftliche Bearbeitung, ohnehin ein nicht verzichtbarer Standard, ist auch in Oldenburg vorangegangen. Dabei hat das Oldenburger Museum die angebotene externe Hilfe des Niedersächsischen Landesinstituts für Historische Küstenforschung gern angenommen. Dass die Naturkunde Bestandteil des Hauses ist, bot zusätzlich die Möglichkeit, fachübergreifend zu arbeiten, vom üblichen chronologischen Schema abzugehen und die großen Landschaften Moor, Geest, Küste und Marsch zu Ausstellungsthemen zu machen. Für den Erfolg war das Ausstellungsteam maßgebend. Es bestand aus den Fachwissenschaftlern im Hause, verstärkt durch externe Wissenschaftler des Instituts für Historische Küstenforschung, aus den Museumspädagogen, die ihre Vorstellungen von Anfang an einbringen konnten und nicht erst zur Wissensvermittlung in der fertigen Ausstellung oder gar nur zur Betreuung von Schulklassen eingesetzt wurden. Der entscheidende Schritt aber war die Beteiligung der Künstlergruppe Parameter aus München mit Rainer Wittenborn, Michael Lukas und Tobias Wittenborn. Die Erstellung der Ausstellung war nicht etwa nach außen vergeben worden. Im Haus wurde ein Team auf Zeit zusammengestellt, in das zusätzliche externe Kompetenzen integriert worden waren. Den lebhaften und fruchtbaren, auch kontroversen Diskussionen dieses Teams ist der Erfolg der Ausstellung geschuldet. Dazu die Weichen gestellt zu haben, ist das Verdienst von Mamoun Fansa. Mit ihrem ästhetischen Anspruch ist es eine ungewöhnliche Ausstellung geworden, die manchen Besucher stutzen lässt und manchem Fachmann Rätsel aufgibt. Die Weiterentwicklung des Lehrbuchs mit anderen Mitteln, um auf den Begriff von Jacob Friesen zurückzukommen, lässt sie weit hinter sich. Gerade deswegen irritiert sie die Besucher traditioneller archäologischer und naturkundlicher Ausstellungen. Dagegen können die Besucher von Kunstausstellungen diese Ausstellung mit Interesse aufnehmen, ohne wie sonst
noch all zu häufig, von der Ästhetik peinlich berührt zu sein.

Die Veränderungen in den Museen

Der Blick zurück auf die angeführten Beispiele, so unterschiedlich sie sind, lässt einige Entwicklungslinien hervortreten. In die regionalen und kommunalen Museen ist zunehmend Professionalität eingezogen. In den Landesmuseen und ihren Vorgängern war sie stets präsent, auch wenn es sich meistens um fachwissenschaftlichen und nicht zugleich um museologischen Sachverstand handelte. Erreicht worden ist die Professionalisierung durch das Personal in den Häusern ebenso wie durch fachliche Beratung seitens der größeren Museen, des Museumsverbandes und von regionalen Museumsverbünden. Das hatte eine höhere Qualität der Museumsarbeit und der Ausstellungen zur Folge. Dazu trug erheblich die Förderung der nichtstaatlichen Museen durch das Land Niedersachsen und die großen Stiftungen im Lande bei, der Stiftung Niedersachsen und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. Die Förderprogramme führten darüber hinaus zur stärkeren Differenzierung der Museumslandschaft, weil sie die Entwicklung eigener, oft regionaltypischer Sammel- und Ausstellungsschwerpunkte der einzelnen Häuser im Blick hatten. Das sprunghafte Ansteigen der Zahl der Museen, eine nicht zu übersehende Tendenz, auch solcher Museen, die keinen originären Sammlungsschwerpunkt aufwiesen und häufig nicht dauerhaft lebensfähig waren. konnte durch restriktive Förderung nicht verhindert werden.

Auch die Ausstellungskritik kann der Weiterentwicklung der Museen förderlich sein mit bestärkendem Lob wie mit kritischen Äußerungen. Die eigene Darstellung der Ausstellungen in Fachzeitschriften durch Museumsmitarbeiter – wie im Mitteilungsblatt des Museumsverbandes üblich – kann zusätzliche Informationen geben, die Kritik in keinem Fall ersetzen. Die Ausstellungskritiken in den Tageszeitungen können wohlwollendes Interesse und Sachverstand erkennen lassen, sie können Analysen und Urteile wiedergeben. Immer noch zu häufig begnügen sie sich aber damit, den Inhalt der Ausstellung zu referieren, so dass sich die Frage aufdrängt, ob der Kritiker die Ausstellung gesehen oder nur den Katalog gelesen hat. Man stelle sich eine Theaterkritik vor, die es bei der Aufzählung des Inhalts bewenden ließe. Die Ausstellungskritik ist in diesem Fall zwar für das Museum eine willkommene Werbung, Anstöße vermag sie nicht zu geben.

Die Professionalisierung in den Häusern wie die Stärkung der Kompetenz von außen her hat die Ausstellungen verändert. Das beginnt mit den individuellen und sehr unterschiedlichen Ausstellungskonzepten. Sie fanden oft, wenn auch nicht überall, in einem durchgehenden Visualisierungskonzept ihren Ausdruck. Nicht nur ideenreichere Gestaltung und Grafik, auch Szenografie und Inszenierungen hielten verstärkt Einzug. Erzählerische Elemente wurden zu Bestandteilen der Ausstellungen. Die Museumspädagogik hatte schon vorher ihren Siegeszug angetreten. Die modernen audiovisuellen Medien hielten Einzug, ohne überhand zu nehmen. Auch in kleinen Häusern wie im Dümmer-Museum Lembruch oder im Museum Soltau entstanden auf diese Weise sehenswerte Ausstellungen. Es sind allgemeine Tendenzen in der Ausstellungsentwicklung – wie sollte es anders sein – die auch in Niedersachsen sichtbar werden. Die Qualität der Ausstellungen, auch wenn das ein subjektives Urteil ist, hat zugenommen. Die Erwartungen des mobilen und damit zum Vergleichen befähigten Publikums sind gestiegen. Wer die wunderbare Ausstellung „Albert Einstein. Ingenieur des Universums“ in Berlin gesehen hat, der bringt auch in andere Ausstellungen höhere Ansprüche mit.

Die neuen ständigen Ausstellungen im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg gehen darüber einen Schritt hinaus. In das Ausstellungsteam wurden Künstler integriert, in den Ausstellungen hielt die Kunst Einzug. Das ist die Mamoun Fansa geschuldete Neuerung. Kaum an einem anderen Ort ist diese Innovation zu entdecken. Am ehesten können Ausstellungen außerhalb der Archäologie herangezogen werden. „Feuer und Flamme“ im Gasometer Oberhausen und „Sonne, Mond und Sterne“ in der Essener Zeche Zollverein bieten nur teilweise Vergleichbares. Mit Einschränkung ist auch die Ausstellung „Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels“ zu nennen, die im Bucerius Kunst Forum und im Jenisch-Haus in Hamburg 2004 zu sehen war, eine Kunstausstellung, die weit über die Kunstgeschichte hinaus Fragen der Kulturgeschichte, der Philosophie, der Naturwissenschaften bis zur Meteorologie und deren Instrumenten aufgriff und harmonisch miteinander verband. Dass Fansas Ausstellungen singulär sind, ist wohl kein Zufall, sondern auf die Abschottung der Disziplinen und ihrer Vertreter in der Naturkunde genauso wie in der Archäologie zurückzuführen. Das trifft ebenso, wenn auch in geringerem Ausmaß, auf das Publikum zu. Jeder, der Sachausstellungen wie auch Kunstausstellungen, besucht, wird feststellen können, dass er es – von Ausnahmen abgesehen – mit einem voneinander separierten Publikum zu tun hat.

Ein Blick in die Zukunft

Der Blick in die Zukunft ist schwieriger als der in die Vergangenheit. Es ist anzunehmen, dass der Weg der Professionalisierung, mit Qualitätssteigerung einhergehend, weiter führen wird. Die Ausstellungen werden in Konkurrenz zu vielen Freizeitangeboten ideenreicher, anspruchsvoller und attraktiver werden. Dabei werden die Museen wohl von ihrer Konkurrenz, den Freizeitparks und Wissenschaftscenters nicht unbeeinflusst bleiben, hoffentlich jedoch nicht in dem Sinne, dass ihnen die Museen nacheifern, sondern dass sich die Museen auf ihre ureigenen Stärken besinnen, den nachgebauten Welten der Feizeitparks ebenso wie den virtuellen Welten der Computer Authentizität und Originales entgegensetzen.

Auch die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft wird nicht spurlos an den Museen vorübergehen. Die Menschen werden deutlich älter, bleiben länger gesund und geistig rege. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit im Alter aber hängt wesentlich davon ab, wie intensiv das Gehirn gefordert und angeregt wird. Wenn es stimmt, was der Bielefelder Hirnforscher Hans J. Markowitsch und andere betonen, dass dabei nicht das Training im Sinne von Pauken, sondern das mit Freude einhergehende, freiwillige Lernen im Sinne von Bildung die stärkste Wirkung erzielt, dann sind die Museen gefragt, denn genau das können sie den Menschen bieten. Die Forschung widmet sich seit längerer Zeit der Geriagogik. Sucht man jedoch im Internet in Analogie zur Museumspädagogik nach dem Begriff „Museumsgeriagogik“, wird man nicht fündig. Gibt man in die Suchmaschine zum Beispiel „Museumspädagogik für Ältere“ ein, stößt man auf Angebote für ältere Schüler. Es geht nicht darum, für die üblichen Veranstaltungen von Museen ältere Menschen zu gewinnen, sondern darum, für sie spezielle Angebote wissenschaftlich zu entwickeln. Das geschieht angesichts des demografischen Wandels viel zu wenig, auch wenn einzelne Museen wie die Kunsthalle Bremen dafür gute Beispiele bieten. Die Museen würden damit nicht nur eine zusätzliche wichtige Funktion in der Gesellschaft übernehmen, sie würden sich auch ein neues Besucherpotential erschließen.

Die archäologischen Ausstellungen lassen sich nicht von der übrigen Museumslandschaft lösen. Sie haben an deren Problemen teil. Wenn an vielen Orten auf ganz unterschiedliche Weise Museumsarbeit so kreativ und ideenreich betrieben wird, wie es in Oldenburg und an einigen anderen orten sichtbar wird, dann dürfen wir uns auf die zukünftigen Ausstellungen freuen.